
Am 26. Oktober ist es wieder so weit: wir feiern den Nationalfeiertag. Ich denke, es ist auch wichtig, dass wir wissen, was und warum wir feiern. Im Zentrum dieses Festes steht die Nation. Dieser Begriff kommt von lateinischem „nasci“ und bedeutet „geboren werden“. So wie er heute gebraucht und verstanden wird, ist er gerade gut zweihundert Jahre alt und hängt eng zusammen mit der Französischen Revolution. Im Jahre 1789 nahm das französische Volk sein Schicksal selbst in die Hand. Die Bürger dieses Volkes hatten sich zu einem Staatsvolk auf einer neuen Grundlage zusammengefunden.
Von besonderer Bedeutung für die einzelnen Nationalbewegungen waren ihre Vordenker, berühmte Persönlichkeiten, die den Nationalstaatsanspruch begründeten. Von diesen Leuten kam eine überzeugende Betonung, dass keine Nation ohne Nationalbewusstsein auf Dauer überlebensfähig ist. Solches Bewusstsein wird in der Regel durch Erziehung vermittelt, wobei das Gemeinsame in der Geschichte, der Kultur, der Sprache und nicht zuletzt der Religion hervorgehoben wird. Nationale Identität kann sich auch durch Abgrenzung von anderen Nationen entwickeln. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts vollzog sich auch in anderen Teilen Europas die Gründung von Nationalstaaten.
Heutzutage fühlen sich die meisten Menschen in der Welt einer Nation zugehörig; das ist etwas ganz Natürliches. In der Regel leben Nationen in von ihren Mitgliedern gestalteten Nationalstaaten. Diese statten ihre Bürger mit einer Staatsangehörigkeit, mit Bürgerrechten und Schutzversprechen aus. Für den Einzelnen wiederum bedeutet die Zugehörigkeit zu einer Nation, dass er/sie in eine soziale Großgruppe eingebunden ist. Von ihr kann er/sie Solidarität und Unterstützung, aber auch soziale Absicherung erwarten. Umgekehrt werden von ihm/ihr Loyalität und Bereitschaft erwartet, die Nation bei Gefahr zu verteidigen, notfalls auch mit dem eigenen Leben.
Der Nationalfeiertag in Österreich existiert in seiner heutigen Form seit 1965. Zuvor gab es von 1919 bis 1933 den 12. November als Nationalfeiertag zum Gedenken an die Entstehung der ersten österreichischen Republik. Danach wechselte das Datum von 1934 bis 1945 auf den 1. Mai auf das Proklamationsdatum der Verfassung des Ständestaates. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Österreich zunächst bis 1955 unter Besatzungsrecht. In dieser Zeit gab es keinen Nationalfeiertag. Durch den Österreichischen Staatsvertrag erlangte Österreich schließlich im Juli 1955 seine volle Souveränität zurück. Damit war jedoch eine 90 Tage Frist für den Abzug der Alliierten Besatzungstruppen verbunden. Diese Frist endete am 25. Oktober 1955. Um die Neutralität Österreichs und nicht den Truppenabzug zu unterstreichen, wurde das Datum 1956 auf den 26. Oktober verschoben, weil an diesem Tag der Neutralitätsbeschluss des Bundesverfassungsgesetzes in Kraft trat. Allerdings hieß dieser Tag ursprünglich der „Tag der Fahne“ und erst am 26. Oktober 1965 in den Nationalfeiertag Österreich umgewandelt wurde. Zwei weitere Jahre später wurde dieser Feiertag mit allen anderen Feiertagen in Österreich auf eine Stufe gestellt.
P. Kazimierz Starzyk
